Pflicht zur AMS-Frühwarnung verschärft – Achtung bei Angeboten zur einvernehmlichen Auflösung

Pflicht zur AMS-Frühwarnung verschärft – Achtung bei Angeboten zur einvernehmlichen Auflösung

Beabsichtigen Arbeitgeber umfangreichere Personalkürzungen vorzunehmen, so sind sie nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz (AMFG) gesetzlich dazu verpflichtet, die bevorstehenden Maßnahmen beim AMS im Rahmen des sogenannten Frühwarnsystems anzumelden.

Diese Verständigung hat immer dann zu erfolgen, wenn das Arbeitsverhältnis von
– mindestens 5 Arbeitnehmern in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 100 Beschäftigten oder
– mindestens 5 % der Arbeitnehmer in Betrieben mit 100 bis 600 Beschäftigten oder
– mindestens 30 Arbeitnehmern in Betrieben mit in der Regel mehr als 600 Beschäftigten oder
– mindestens 5 Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben,
innerhalb von 30 Tagen aufgelöst werden sollen.

Der Gesetzeswortlauf besagt, dass eine solche Anzeige mindestens 30 Tage vor der ersten Erklärung der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zu erstatten ist. Was genau als „erste Erklärung“ zu werten ist und welche Arten der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses überhaupt davon erfasst sind, legt das Gesetz nicht ausdrücklich fest.
Der OGH hat sich kürzlich mit dieser Fragestellung beschäftigt und die Bestimmung in seiner Entscheidung einschränkend zulasten der Unternehmer ausgelegt – das Frühwarnsystem wurde also verschärft!

Nach dem Gesetzeszweck soll es bereits vor der Freisetzung einer arbeitsmarktpolitisch relevanten Zahl von Arbeitskräften möglich sein, Beratungen durchzuführen, Vermittlungsbemühungen anzustellen oder gegebenenfalls den Arbeitsplatz doch noch zu sichern. Eben diesem Zweck entspricht es auch, die Verständigungspflicht bereits dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber personelle Umgestaltung erst „beabsichtigt“. Jedenfalls entspräche es nicht der Rechtslage, die Pflicht an einen bereits erfolgten Ausspruch der Kündigung oder die erfolgte einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses anzuknüpfen.

Mit Verweis auf eine bereits ergangene Judikatur betonte der OGH bezüglich einvernehmlicher Auflösungen erneut, dass die Absicht des Arbeitgebers, Dienstverhältnisse aufzulösen, entweder zu einseitigen Kündigungen oder auch zu annahmebedürftigen Anboten von Aufhebungsverträgen, also einvernehmlichen zweiseitigen Auflösungen, führen kann. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Erklärungsformen auf Arbeitgeberseite ändert dabei nichts am Kern seiner rechtsgeschäftlichen Erklärung, nämlich der Absicht, das Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Das Interesse und die Absicht, das Arbeitsverhältnis mit einer Mehrzahl von Mitarbeitern aufzulösen, kommen demnach bereits schon dann zum Ausdruck, wenn der Arbeitgeber Angebote für einvernehmliche Auflösungen an eine den Schwellenwert übersteigende Zahl abgibt. Nachfolgende Kündigungen infolge von Nichtannahmen dieser Angebote sind in diesem Zusammenhang nicht mehr beachtlich, weil jene Gefahr, die § 45a AMFG vorzubeugen sucht, nämlich die Gefahr, dass eine relevante Zahl von Arbeitnehmern innerhalb kurzer Zeit den Arbeitsplatz verlieren könnte und auf den Arbeitsmarkt freigesetzt würde, schon ab der Erklärung des Arbeitgebers in Form eines Angebotes bestand und die Verständigungspflicht in diesem Zeitpunkt schon ausgelöst wurde.

„Wäre erst der tatsächliche Ausspruch der Kündigung oder – bei einvernehmlicher Auflösung – die Einigung darüber relevant, bliebe kein Raum für die Anzeige einer erst beabsichtigten Beendigung innerhalb von 30 Tagen und für die an die Anzeige anknüpfende Wartefrist von mindestens 30 Tagen (§ 45a Abs 2 AMFG).“ – so der OGH.

Im Ergebnis müssen Kündigungen oder einvernehmliche Auflösungen, welche dieses Procedere nicht einhalten von vornherein als rechtsunwirksam angesehen werden.

Zwar können systematische Streuungen von Kündigungen über einen längeren als 30-tägigen Zeitraum die Verständigungspflicht verhindern, jedoch nur sofern dies auch in der ursprünglichen Absicht des Arbeitgebers lag. Verzögern sich die Kündigungserklärungen lediglich faktisch infolge längerer Bemühungen um den Erhalt des Arbeitsplatzes oder aufgrund weitergehender Verhandlungen gegen die ursprüngliche Intention des Arbeitgebers, kann die Verpflichtung durch solche faktischen Verzögerungen nicht umgangen werden, würde doch sonst der genannte Zweck des Frühwarnsystems verfehlt, schon die Absicht, innerhalb kurzer Zeit eine relevante Zahl von Arbeitnehmern freizusetzen, zum Anlass von Vorkehrungen zu nehmen.

OGH 9 ObA 119/17s

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