Enterbung / Pflichtteilsrecht / Kein Kontakt, kein Geld?

Enterbung / Pflichtteilsrecht / Kein Kontakt, kein Geld?

Nachkommen, Ehegatten oder eingetragene Partner sind von der gesetzlichen Erbfolge erfasst und könnten dadurch einiges erben. Zumindest steht den oben genannten jedoch ein gesetzlich zustehender Pflichtteil zu. Verscherzt man es sich nun mit dem Erblasser, so hat dies vermögensrechtliche Konsequenzen. Führt jedoch schon ein Streit, kein Kontakt oder ein schlechtes Verhältnis zum Ausschluss von jeglichem Erbe?

Was ist ein Pflichtteil?

Durch den Pflichtteil wird nahen Angehörigen ein Mindestanteil am Vermögen gesichert. Der Anspruch besteht, solange diese Quote noch nicht durch Schenkungen oder Zuwendungen auf den Todesfall gedeckt ist. Verloren geht jener Anspruch aus denselben Gründen wie das gesetzliche Erbrecht, so beispielsweise durch Erbverzicht oder Erbunwürdigkeit. Die Pflichtteilsquote wird errechnet, indem man die Hälfte dessen nimmt, was dem Pflichtteilsberechtigten gemäß dem gesetzlichen Erbrecht zustehen würde.

Kann man den Pflichtteil auch kürzen?

Dem Erblasser steht es zu den Pflichtteil nochmals um die Hälfte zu kürzen. Die Möglichkeit der Pflichtteilsminderung gemäß § 776 Abs 2 ABGB ist nicht gegeben, wenn der Verstorbene grundlos den Kontakt vermieden hat oder berechtigten Anlass für den fehlenden Kontakt gegeben hat. Das Recht auf Pflichtteilsminderung setzt kein missbilligendes Verhalten des Pflichtteilsberechtigten voraus und ist daher nicht als Enterbungsfall konstruiert.

Jedoch ist allein das passive Verhalten des Erblassers nach wie vor nicht ausreichend für diesen Ausschlussgrund. Wenn sowohl der Erblasser als auch der Pflichtteilsberechtigte aus Mangel an Interesse keine Anlässe für den Kontakt setzen, ist die Pflichtteilsminderung zulässig. Ein fehlendes Naheverhältnis ist zudem Grund für die Pflichtteilsminderung. Darunter ist ein längerer Zeitraum zu verstehen, der im Eltern-Kind-Verhältnis mit mindestens 20 Jahre vor dem Tod des Erblassers bemessen ist.

Enterbung

Außerdem kann dem Erben auch gar nichts mehr zukommen. Das ist der Fall, wenn dieser enterbt wird. IZm der Minderung des Pflichtteils ist hier § 770 Z 5 ABGB relevant, weil jener einen Enterbungsgrund bei gröblicher Verletzung der familienrechtlichen Pflichten normiert. Voraussetzung hierfür ist eine gravierende Pflichtverletzung, die sich beispielsweise aus Unterlassen von Besuchen bei lebensbedrohlicher Erkrankung ergibt.

In einer Zusammenschau zwischen den zwei Tatbeständen ergibt sich, dass für einen völligen Ausschluss jeglichen Erbes eine gröbliche Vernachlässigung erforderlich ist und diese die Verletzung der Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kinder voraussetzt. Wohingegen die Pflichtteilsminderung lediglich auf den Ablauf eines bestimmten Zeitraums abstellt und daher auch möglich ist, wenn schlicht kein Kontakt besteht.

Folglich ist der OGH der Meinung, dass ein passives Verhalten durch den Erblasser selbst noch immer nicht ausreicht, um den Pflichtteil zu mindern. Haben jedoch Erblasser sowie Pflichtteilsberechtigter beide ein Desinteresse an aufrechten Kontakt, so wird dem Erblasser die Möglichkeit des §776 Abs 2 eingeräumt.

Quellen:

https://360.lexisnexis.at/d/lexisbriefings/pflichtteilsminderung/h_80001_5703034164189007519_9615f98831?origin=gs&searchid=20231030091847494&rlclick=graph%2Btitle

Rechtsprechung Erbrecht Bearbeiter: Wolfgang Kolmasch Zak 2022/591Zak 2022, 316 Heft 16 v. 14.10.2022

Bittner/Hawel in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 770 Rz 3 (Stand 1.10.2018, rdb.at)

Welser, Erbrechts-Kommentar § 776 ABGB (Stand 30.6.2018, rdb.at)

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