„Wirkliche Übergabe“ bei der Schenkung von Wertpapieren

„Wirkliche Übergabe“ bei der Schenkung von Wertpapieren

Kürzlich entschied der Oberste Gerichthof (im verstärkten Senat), welche Formerfordernisse bei der Schenkung von Wertpapieren notwendig sind, da dies (aus Sicht des OGH) eine Rechtsfrage von „grundlegender Bedeutung“ wäre.

Der Sachverhalt: Als Gegenleistung für das Unterstützen und Umsorgen einer betagten Dame in den letzten Jahren vor ihrem Ableben, wurde die Beklagte in deren Testament mit einer Eigentumswohnung und € 30.000 bedacht. Für den übrigen Teil der Verlassenschaft wurde eine Tierschutzorganisation als Erbe bestimmt. Nach Errichtung des Testaments entschloss sich die mittlerweile Verstorbene der Beklagten schon zu Lebzeiten die Hälfte ihres Wertpapierdepots zu schenken. Bei einem Termin mit ihrem Bankbetreuer wurde sie über alle Folgen der Schenkung aufgeklärt und ließ die Beklagte durch Anweisung an die Bank, als Mitinhaberin, mit freiem Verfügungsrecht über ihren Anteil eingetragen. Nach dem Tod der Dame klagte die oben genannte Tierschutzorganisation auf die Hälfte des Wertpapierdepots. Der Grund war, dass eine bloße Eintragung als Mitinhaberin ihrer Auffassung nach, nicht als Übergabe im Sinne des § 943 ABGB gelten könne. Bei fehlender Übergabe hätte die Schenkung mittels Notariatsakt erfolgen müssen.

Die bisherige Rechtsprechung zur Frage der „wirklichen Übergabe“ bei Schenkungen war uneinheitlich, da einerseits Einräumung einer ausschließlichen Verfügungsmacht und somit die Aufgabe des Verfügungsrechts des Schenkenden verlangt wurde. Andererseits reichte es schon aus, wenn alleine über das Wertdepot verfügt werden konnte, beispielsweise durch Mitberechtigung oder Vollmacht.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage der Tierschutzorganisation ab, da nach deren Ansicht eine Mitinhaberschaft als „wirkliche Übergabe“ ausreiche. Der OGH bestätigte diese Entscheidungen.

Der Grund des Formerfordernisses der „wirklichen Übergabe“ dient vorrangig zum Schutz des Schenkenden. Damit dieser vor übereilten und ungewollten Schenkungen geschützt werden kann, muss zusätzlich zum Schenkungsversprechen ein weiterer Akt gesetzt werden, der sicherstellt, dass das Formerfordernis des Übereilungsschutzes gewahrt ist.

Da zusätzlich zum Schenkungsversprechen eine Erklärung der Verstorbenen gegenüber der Bank abgegeben wurde, aufgrund derer die Beklagte ein alleiniges Verfügungsrecht über ihren Anteil am Wertdepot erhielt, argumentiert der OGH, dass ausreichend Schutz gegeben war und formulierte diesen Rechtssatz: „Wertpapiere auf einem Depot oder Guthaben auf einem Konto werden schon dadurch iSv § 943 ABGB, § 1 lit d NotAktsG wirklich übergeben, dass der Geschenkgeber dem Geschenknehmer – etwa durch Begründung einer Mitinhaberschaft – die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einräumt, darüber ohne sein weiteres Mitwirken zu verfügen. Das Einräumen einer ausschließlichen Verfügungsbefugnis ist nicht erforderlich.“

Quelle: OGH 2 Ob 122/17f

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