Liegenschaftsverkauf – Vertragsanfechtung aufgrund eines „gemeinsamen Irrtums“ möglich?

Liegenschaftsverkauf – Vertragsanfechtung aufgrund eines „gemeinsamen Irrtums“ möglich?

Nach einer aktuellen Entscheidung des OGH soll die Eigenschaft, dass ein verkauftes Baugrundstück auf einem Kriechhang liegt und eine Bebauung zwar möglich, aber unter Umständen besondere Hangsicherungsmaßnahmen erfordert, mangels besonderer Vereinbarung noch keinen Mangel im Sinne des Gewährleistungsrechts begründen.

Das Risiko erhöhter Baukosten trägt grundsätzlich der Käufer, jedoch erkennt die Rechtsprechung trotz Kritik in der Literatur den „gemeinsamen Irrtum“ als vierten, nicht im Gesetz genannten Irrtumsanfechtungsgrund an und erweitert somit die vertraglichen Anfechtungsmöglichkeiten.

Sachverhalt:

In seiner höchstgerichtlichen Entscheidung vom 26.06.2014 (8 Ob 57/14m) ging der OGH von folgendem Anlassfall aus: Die Klägerin erwarb vom Beklagten ein Baugrundstück mit einer Fläche von über 3.000 m², auf welchem die Klägerin Mehrfamilienhäuser errichten wollte. Unmittelbar angrenzend an dieses Grundstück befanden sich bereits zahlreiche Einfamilienhäuser. Die für die Umsetzung des Bauprojektes benötigte Baubewilligung wurde der Klägerin ein Jahr später von der zuständigen Gemeinde erteilt.

Im Kaufvertrag wurde der Klägerin im Vorfeld auch das Recht eingeräumt, die zur Prüfung der Bebaubarkeit der Liegenschaft erforderlichen Maßnahmen zu treffen, und wurde in einem von der Klägerin eingeholten geotechnischen Bodengutachten festgestellt, dass das Grundstück als bebaubar und der Untergrund als standsicher angesehen werden kann.

Im Verlauf der Baumaßnahmen stellte sich jedoch heraus, dass das Grundstück im Einflussbereich der Gleitflächen witterungsbedingter Hangbewegungen (Kriechhang) liegt und ist es in den vergangenen Jahren im Bereich des gegenständlichen Grundstückes bereits wiederholt zu Kriechbewegungen und Rutschvorgängen gekommen. Dieser Umstand führte dazu, dass die Klägerin zur Verwirklichung ihres Bauprojektes mit enormen Mehrkosten konfrontiert wurde, da aufgrund der großen Aushubtiefen entsprechende Sicherungsmaßnahmen erforderlich wurden.

Die Klägerin begehrte daher Preisminderung aus dem Titel der Gewährleistung, in eventu Vertragsanpassung wegen listiger Irreführung bzw. wegen Irrtums, weil der Beklagte seine Aufklärungspflichten verletzt habe, indem er sie über die geologische Problematik des Kaufgegenstandes nicht informierte. Zudem erhob sie ein Feststellungsbegehren. Der Beklagte wendete ein, dass ihm die Kriechbewegungen auf der Liegenschaft bei Vertragsabschluss nicht bekannt gewesen seien, und die vereinbarte Baulandwidmung ohnehin gegeben sei, für Fehlkalkulationen der Klägerin bei der Bauführung habe der Beklagte nicht einzustehen.

Der OGH beurteilte die Rechtslage dahingehend, dass eine Mangelhaftigkeit im Sinne einer qualitativen oder quantitativen Abweichung der Leistung vom vertraglich Geschuldeten immer im Einzelfall zu prüfen ist. Vertraglich geschuldet werden die gewöhnlich vorausgesetzten (diese gemessen an der Verkehrsauffassung) oder die ausdrücklich bzw. auch stillschweigend bedungenen Eigenschaften, wobei der Kaufgegenstand auch der Natur des Geschäfts oder des konkret geschlossenen Vertrages entsprechend genützt bzw. verwendet werden können muss.

Daraus folgt, dass beim Erwerb eines Baugrundstückes, wenn nicht etwa eine besondere Bodenbeschaffenheit zugesichert wurde, im Allgemeinen ein natürlich gewachsener Untergrund und somit die objektive Bebaubarkeit erwartet werden kann (siehe auch OGH 9 Ob 50/10h). Gleichzeitig ist jedoch der Verkäufer nicht verpflichtet für die Möglichkeit des Bauens nach einem bestimmten Plan oder zu einer bestimmten Zeit dem Käufer Gewähr zu leisten, auch trägt der Käufer grundsätzlich das Risiko erhöhter Baukosten, das heißt, auch die im Rahmen der Bauführung aus einer unerwarteten Bodenbeschaffenheit resultierenden Mehrkosten, außer es wurde vertraglich anderes vereinbart oder die Bauführung würde sich bei objektiver Beurteilung nunmehr als wirtschaftlich unvernünftig erweisen.

Im Anlassfall bestand an der objektiven Bebaubarkeit des Grundstückes kein Zweifel, wurde der Klägerin doch die Baubewilligung erteilt und war das Grundstück nach dem Flächenwidmungsplan als Bauland gewidmet. Auch belegten die geotechnischen Gutachten nichts Gegenteiliges. Der OGH betrachtete die Verletzung von Aufklärungspflichten durch den Verkäufer dahingehend, dass eine Verletzung dann zu bejahen ist, wenn eine nach Treu und Glauben berechtigt erwartete Aufklärung unterlassen wurde.

Dabei kann der Verkäufer jedoch nicht verpflichtet werden, über alle möglichen Eigenschaften des Vertragsgegenstandes- hier über eine allenfalls bekannte Bodeneigenschaft oder offenkundige Neigung des Grundstückes- in vollem Umfang aufzuklären, wenn der Erwerber keine Auskünfte oder Belehrungen darüber verlangt. Es darf bei Unterlassung dieser Aufklärungen auch nicht gleich eine schlüssige Zusage des Verkäufers angenommen werden, außer die Wichtigkeit der tatsächlich fehlenden Eigenschaft für den Käufer ist dem Verkäufer bekannt oder hätte er diese erkennen müssen. Im letzteren Fall könne die Nichtaufklärung eine Gewährleistungspflicht begründen.

Auch wenn im vorliegenden Anlassfall dem Beklagten der Umstand von bestehenden Hangrutschungen im Zusammenhang mit dem Grundstück, nicht bekannt war, und ihm eine listige Irreführung deshalb nicht vorgeworfen werden konnte, hat der OGH in dieser Entscheidung anerkannt, dass auch ein gemeinsamer Geschäftsirrtum die Vertragspartner zur Anfechtung oder Anpassung eines Vertrages berechtigen kann. Ein gemeinsamer Irrtum setzt dabei jedoch schon sprachlich voraus, dass beide Parteien demselben Irrtum unterliegen. Es reicht für die Anfechtung eines Rechtsgeschäftes wegen eines gemeinsamen Irrtums nicht aus, sich bloß auf eine arglistige Irreführung zu berufen, wie die Klägerin in dem Fall, da ein gemeinsamer Irrtum mit der Behauptung, arglistig getäuscht worden zu sein, schon begrifflich unvereinbar ist (5Ob 144/98g).

Auch wenn die Geltendmachung des „gemeinsamen Irrtums“ der Klägerin aufgrund fehlenden Vorbringens in der ersten Instanz in dem Anlassfall nicht gelungen ist, bietet die darauf erfolgte Beurteilung dieser Rechtfrage durch den OGH im Bereich des § 871ff ABGB demjenigen, der bei Abgabe einer Willenserklärung einem (Geschäfts-)Irrtum unterliegt, eine weitere Möglichkeit sich von seiner abgegebenen Erklärung zu lösen. Weiterhin muss der Irrtum jedoch in jedem Fall kausal für den Abschluss des konkreten Geschäftes gewesen sein.

In der Lehre wird diese Rechtsprechung jedoch weiterhin mit der Begründung kritisiert, dass der Irrende schutzwürdiger sein muss, als sein Vertragspartner, da die Anfechtung ja einen Eingriff in dessen Rechtsposition und damit den „Verlust“ des Vertrages bedeutet. Der eigene Irrtum des Vertragspartners begründet aber nicht seine geringere Schutzwürdigkeit. Auch ist anzuführen, dass auf die Möglichkeit der Geltendmachung eines Irrtums, ausgenommen bei Verbrauchergeschäften (§ 6 Abs 1 Z 14 KSchG) und arglistiger Irrtumsveranlassung, im Voraus wirksam verzichtet werden kann.

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