Haftungsrechtliche Fragen bei mangelhaftem Zustand eines Weges – Schneeräumung und Streupflicht

Haftungsrechtliche Fragen bei mangelhaftem Zustand eines Weges – Schneeräumung und Streupflicht

Bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen mangelhaften Zustands eines Weges kommt eine Vielzahl unterschiedlicher Haftungsgrundlagen in Betracht, die einander teils verdrängen, teils aber auch konkurrierend herangezogen werden können.

Wenn es gilt, allfällige Ersatzansprüche wegen mangelhaften Zustands eines Weges zu prüfen, kommen vorweg insbesondere folgende Haftungsgrundlagen in Betracht:

  • Haftung des Wegehalters (und seiner Gehilfen) für den mangelhaften Zustand eines Weges gemäß § 1319a ABGB;
  • Haftung des Liegenschaftseigentümers für Gehsteige und Gehwege im Ortsgebiet, die nicht von Schnee und Verunreinigungen gesäubert und bei Schnee und Glatteis nicht bestreut sind (§ 93 Abs 1 StVO);
  • Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen kraft eines Vertrags oder einer anderen rechtlichen Sonderverbindung mit dem Geschädigten (einschließlich vor- und nebenvertragliche Schutzpflichten – sog Culpa-in-contrahendo-Haftung – und Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) nach den Grundsätzen einer Haftpflicht ex contractu;
  • Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen wegen Verstoßes gegen allgemeine Verkehrssicherungspflichten;
  • Haftung des „Inhabers eines Werkes“ gemäß § 1319 ABGB im Überschneidungs- bzw Grenzbereich zwischen § 1319a und § 1319 ABGB;
  • Haftung des zuständigen Rechtsträgers wegen mangelhafter Verkehrsregelung nach den Normen des AHG (Amtshaftung);
  • nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche von „Nachbarn“ des Eigentümers der Straßenliegenschaft nach § 364a ABGB (Straße als behördlich genehmigte Anlage).

Die Haftung des Liegenschaftseigentümers nach § 93 StVO:

In § 93 StVO normiert die Straßenverkehrsordnung, dass die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten dafür zu sorgen haben, dass es entlang der Liegenschaft in einer Entfernung von nicht mehr als 3 m vorhandenen dem öffentlichen Verkehr dienende Gehsteige und Gehwege einschließlich der in dem Zug befindlichen Stiegenanlagen entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr vom Schnee und von Verunreinigungen gesäubert sein müssen, sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind.

Ist ein Gehsteig (Gehweg) nicht vorhanden, so ist der Straßenrand in der Breite von 1 m zu säubern und zu bestreuen; in einer Fußgängerzone oder Wohnstraße ohne Gehsteig gilt die oa Verpflichtung für einen 1 m breiten Streifen am Straßenrand. Für Wien gilt eine gemäß § 93 Abs 4 StVO erlassene Verordnung vom 16. 11. 1962, derzufolge die gesetzlich vorgesehene Schneeräumung und Streuung bei Gehsteigen bis zu einer Breite derselben von 1,5 m zur Gänze zu erfüllen ist. Bei Breiten, die dieses Maß übersteigen, müssen lediglich zwei Drittel der gesamten Gehsteigbreite, mindestens aber fortlaufend 1,5 m, geräumt und bestreut werden.

Die Räum- und Streupflicht gilt auch für Eigentümer von Verkaufshütten. Eigentümer von unverbauten, land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaften sind von dieser Pflicht ausgenommen.

Durch die Schneeräumung und Entfernung von Dachlawinen dürfen andere Straßenbenützer nicht gefährdet oder behindert werden; nötigenfalls müssen die gefährdeten Straßenstellen abgeschrankt oder geeignet gekennzeichnet werden.

Schneehaufen, die von Schneepflügen der Straßenverwaltung auf den Gehsteig geschoben werden, müssen ebenfalls entfernt werden. Zur Ablagerung von Schnee aus Häusern oder Grundstücken auf der Straße benötigt der Liegenschaftseigentümer eine Bewilligung.

Wird die Schneeräumung und die Entfernung von Dachlawinen zB einem Schneeräumungsunternehmen übertragen, treffen dieses die genannten Pflichten.

Außerhalb des Ortsgebietes gilt die genannte Räum- und Streupflicht nach der Straßenverkehrsordnung nicht. Zu beachten ist dort jedoch die Haftung des Wegehalters bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht nach § 1319a ABGB.

Die Haftung bei Wohnungseigentum:

Die Besorgung bzw Veranlassung des Winterdienstes gehört zur Verwaltung einer Liegenschaft. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat die Möglichkeit, gemäß § 19 WEG eine natürliche oder juristische Person zum Verwalter zu bestellen. Diese Bestellung ist durch Beschluss der Eigentümergemeinschaft, der iSd § 24 WEG zustande kommen muss, abzuwickeln. Bereits durch die Bestellung ist der Verwalter als solcher bestellt. Die Eigentümergemeinschaft wird durch den bestellten Verwalter vertreten. Dieser ist verpflichtet und befugt, alle Maßnahmen, die der Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Guts dienen, zu ergreifen, wobei Verwaltungshandlungen ebenso wie deren Unterlassungen der Eigentümergemeinschaft zuzurechnen sind. Diese haftet in Angelegenheiten der Verwaltung der gemeinschaftlichen Liegenschaft deliktisch für Schäden aus Handlungen oder Unterlassungen des Verwalters. Eine Haftung der Eigentümergemeinschaft für Handlungen und Unterlassungen des Verwalters ist − zumindest bei nicht positivierten Verkehrssicherungspflichten − nicht nur dann begründet, wenn der Verwalter selbst die schädigende Handlung setzte (oder eine bestimmte gebotene Maßnahme unterließ), sondern auch dann, wenn zwar die Schädigung durch andere Hilfspersonen erfolgte und diese weder nach § 1313a ABGB noch nach § 1315 ABGB der juristischen Person zuzurechnen sind, den Machthaber (Verwalter) jedoch ein Organisations-, Auswahl- oder ein Überwachungsverschulden zur Last zu legen ist. Dieser Fall ist etwa verwirklicht, wenn der Verwalter den Winterdienst einem Fremdunternehmen überträgt. Ebenso wie im Fall der Übertragung der Pflichten zur Erhaltung sicherer Wege durch die Eigentümergemeinschaft einer Wohnanlage auf einen selbständigen Unternehmer die Eigentümergemeinschaft für ein eigenes (ihr zurechenbares) Auswahl- oder Überwachungsverschulden haftet, hat sie auch für ein entsprechendes Fehlverhalten, also Auswahl- oder Überwachungsverschulden des Hausverwalters, einzustehen.

Die Haftung bei Mietverträgen:

Der Vertrag zwischen dem Hauseigentümer und einem Winterdienstunternehmen ist im Allgemeinen ein unechter Vertrag zugunsten Dritter – also etwa des Mieters des Hauses – und verschafft diesem kein direktes Klagerecht gegen das Winterdienstunternehmen. Zwar entfaltet dieser Vertrag auch Schutzwirkungen zugunsten der Mieter des Hauses, doch scheitert auch aus diesem Titel ein direkter Anspruch der Mieter gegen das Winterdienstunternehmen an der Subsidiarität gegenüber deckungsgleichen Ansprüchen des Mieters gegen den Vermieter.

Der Werkvertrag zwischen Hauseigentümer und Winterdienstunternehmer ist in Ansehung eines Mieters also als unechter Vertrag zugunsten Dritter anzusehen. Auch wenn der Winterdienstunternehmer darin die Haftung für Schäden, die Dritte bei Ausführung der Leistung erleiden, übernimmt, erwächst einem Mieter daraus kein unmittelbares Recht. Der OGH erblickt im Winterdienstvertrag (auch) eine Erfüllungsübernahme bestimmter Vermieterpflichten iSd § 1404 ABGB. Die erwähnte Vertragsklausel verdeutlicht nur die dieser Gesetzesstelle entspringende Regressmöglichkeit des in Anspruch genommenen Hauseigentümers.

Trotz Kritik der Lehre hält der OGH am Prinzip der Subsidiarität von Schadenersatzansprüchen, die aus vertraglichen Schutzwirkungen abgeleitet werden, gegenüber deckungsgleichen Ansprüchen, die gegen den Vertragspartner zustehen, fest. Aus dem Bestandvertrag trifft den Vermieter gemäß § 1096 ABGB unter anderem die Verpflichtung, für den gefahrlosen Zugang zum Bestandobjekt zu sorgen, also auch im Bereich der Hauseingänge Schnee zu räumen und zu streuen. Diese Säuberungs- und Streupflicht wird als vertragliche Nebenpflicht aus § 1096 ABGB abgeleitet. Die vertragliche Haftung des Vermieters erstreckt sich daher auf Unfälle des Mieters, die sich auf nicht ordnungsgemäß geräumten oder gestreuten allgemeinen Teilen des Hauses ereigneten, wie zB. in Innenhöfen. Eine vertragliche Verkehrssicherungspflicht trifft den Vermieter auch insoweit, als er den Zugang zu einem vermieteten Objekt während der gesamten Bestandzeit in einem sicheren Zustand zu erhalten hat.

Der OGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Nebenpflichten des Vermieters aus dem Bestandvertrag auch auf die zur Hausgemeinschaft des Mieters gehörenden Personen erstrecken, nicht aber auf Personen, die sich in den Mieträumen nur kurzfristig aufhalten, wie Gäste, Lieferanten und Handwerker oder bloße Besucher und zu Besuch weilende Angehörige des Mieters.

Den Verpflichteten dürfen keine zwecklosen Maßnahmen abverlangt werden, ihr Aufwand muss in einem vernünftigen Verhältnis zur Erreichung des Zieles stehen.

Ebenfalls treffen den Vermieter als Eigentümer die Pflichten nach der Straßenverkehrsordnung.

 

Quellen:

OGH 9.8.2012, 5 Ob 76/12f, immolex-LS 2012/80; OGH 9 Ob 69/17p ZVR 2018/206; OGH 30.1.2018, 9 Ob 69/17p, immolex 2018/66; OGH 10.4.2008, 2 Ob 60/08z, immolex 2008/138

Walter Kath, Die Haftung für den mangelhaften Zustand eines Weges, immolex 2011; Vermietung und Verpachtung – Praxiswissen, Weka

https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/6/Seite.063190.html

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